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Todesfahrt aus Groll gegen Frauen? Tausende Menschen gedenken der Opfer von Toronto

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Auch Tage später gibt die Bluttat Rätsel auf. Warum steuert ein 25-Jähriger seinen Lieferwagen auf einen Gehweg, mäht wahllos Passanten um - und fordert die Polizei dann auf, ihn zu erschießen?

Update vom 30. April, 6.24 Uhr: 

Tausende Menschen haben am Sonntagabend in Toronto mit einer Mahnwache der Opfer der Amokfahrt der vergangenen Woche gedacht. "Liebe für alle, Hass für niemanden", war auf großen Postern und blauen T-Shirts in der Menschenmenge zu lesen. Zehn Kerzen wurden für die zehn Todesopfer entzündet, zudem wurden weiße Rosen abgelegt und die Namen der Opfer vorgetragen.

Zu den Teilnehmern der Mahnwache zählten auch Kanadas Premierminister Justin Trudeau, Torontos Bürgermeister John Tory sowie weitere Politiker. Zudem waren Vertreter der verschiedenen Religionsgemeinschaften der kanadischen Metropole anwesend.

Der 25-jährige Amokfahrer Alek Minassian hatte am Montag vergangener Woche einen gemieteten Lieferwagen mit voller Geschwindigkeit auf den Gehsteig einer Straße im Zentrum von Toronto gelenkt. Acht Frauen und zwei Männer im Alter zwischen 22 und 94 Jahren wurden getötet. Der Täter handelte möglicherweise aus Groll gegen Frauen.

Update vom 25. April, 6:14 Uhr: Frauenhass als Motiv? 

Der Amokfahrer von Toronto hat nach Angaben der Polizei vor allem Frauen getötet. Bei den Opfern handele es sich überwiegend um Frauen im Alter zwischen etwa 20 und 80 Jahren, sagte Chefermittler Graham Gibson am Dienstag.

In einem Eintrag im sozialen Netzwerk Facebook unmittelbar vor der Tat hinterließ der 25-jährige Amokfahrer Alek Minassian zudem eine "kryptische" Nachricht, wie Gibson sagte. So habe er kurz vor der Tat feindliche Botschaften gegen Frauen auf Facebook gepostet, wie die „New York Times“ berichtet.

Der Sender CNN berichtete, der Täter habe auf einem ihm zugeschriebenen Facebook-Account einen Mann namens Elliot Rodger als „obersten Gentleman“ gewürdigt, der im Jahr 2014 nahe der Universität Kalifornien in Santa Barbara sechs Menschen getötet und 13 verletzt hatte. Ermittlern zufolge habe Rodger seine Tat damals ausgeführt, weil er Anhänger einer Männeraktivisten-Bewegung gewesen sei. Diese gehe beispielsweise davon aus, dass Frauen durch feministische Propaganda einer Gehirnwäsche unterzogen worden seien.

Minassian hatte am Montag einen gemieteten Lieferwagen mit voller Geschwindigkeit auf den Gehsteig einer belebten Straße in Toronto gelenkt. Nach jüngsten Angaben wurden zehn Menschen getötet und 14 verletzt. Einige der Verletzten schweben in Lebensgefahr. Der Täter wurde festgenommen und inzwischen des zehnfachen Mordes beschuldigt.

Minassian lebte mit seinem Vater in einem Vorort von Toronto; das Haus wurde am Dienstag durchsucht. An seiner Berufsschule galt Minassian als Einzelgänger. Mitschüler beschrieben ihn als verschlossen, sein Verhalten sei oft seltsam gewesen. Minassians Mutter hatte einer Lokalzeitung 2009 gesagt, ihr Sohn leide an einer Form des Autismus.

So lief die grausame Tat ab

Toronto - Die von Trümmern und Blutspuren gesäumte Todesstrecke zieht sich über mehrere Kilometer, vorbei an Geschäften, Restaurants, Wohnhäusern. Mitten in einem belebten Geschäftsviertel Torontos hat der Fahrer eines Lieferwagens seinen gemieteten Transporter in eine Waffe verwandelt und zehn Menschen getötet. 15 weitere wurden bei der Zickzackfahrt über Gehwege verletzt, wie Polizeichef Mark Saunders sagte. Mehrere schwebten nach dem Vorfall vom Montag in Lebensgefahr. Der 25 Jahre alte Fahrer wurde festgenommen, weitere Verdächtige gab es nach Polizeiangaben nicht.

Bei dem schweren Unglück wurden zehn Menschen getötet.
Bei dem schweren Unglück wurden zehn Menschen getötet. © AFP / Cole Burston

Zu Motiven oder einem möglichen terroristischen Hintergrund machten die Behörden zunächst keine Angaben. Alles sehe nach einer vorsätzlichen Tat aus, ermittelt werde in alle Richtungen, sagte Saunders. Die Sender NBC und CTV berichteten unter Berufung auf Strafverfolger und Sicherheitskreise, der Täter sei vermutlich geistig verwirrt.

Die zuvor geltende mittlere Terrorwarnstufe in der kanadischen Millionenmetropole, wo bis Montag die Außenminister der G7-Staaten getagt hatten, bleibe unverändert, sagte Ralph Goodale, Minister für öffentliche Sicherheit. Für eine erhöhte Terrorgefahr gebe es keine Hinweise. Kanadas Premierminister Justin Trudeau äußerte sich entsetzt über den „schrecklichen Vorfall“ und dankte den Rettern vor Ort. Bundesaußenminister Heiko Maas sprach den Überlebenden des „schrecklichen Verbrechens“ sein Beileid aus, ebenso wie die US-Regierung.

„Überall waren Körper“

Innerhalb von Minuten verwandelte sich die Geschäftsgegend im Bezirk North York, der etwa 30 Minuten nördlich von der Innenstadt liegt, in einen blutigen Tatort. Mit 60 bis 70 Stundenkilometern erfasste der weiße Wagen Fußgänger, als er um die Mittagszeit von der Straße auf den Bürgersteig fuhr und über rund 15 Straßenblocks hinweg immer wieder zwischen Straße und Geweg wechselte.

Der Täter sei in Schlangenlinien gefahren, sagte Augenzeuge Amir Bahmeyeh dem „Toronto Star“. Er habe beobachtet, wie das Auto fünf oder sechs Menschen erfasste. „Ich sah einen alten Mann durch die Luft fliegen.“ Die Menschen hätten um Hilfe geschrien und versucht, die Polizei in Richtung des Fahrers zu lotsen.

Michele Kelman, die in der Gegend bei einer IT-Firma arbeitet, wurde auf dem Rückweg vom Mittagessen fast von dem Auto erfasst. Sie und ihre Freundin hätten hinter sich Schreie gehört und durch die Luft wirbelnde Gegenstände gesehen, sagte sie der „Globe and Mail“. Der Wagen sei auf sie zugerast und habe dann ihre Freundin tödlich getroffen. „Überall waren Körper“, sagte Kelman.

Täter ist wohl ein nicht vorbestrafter 25-Jähriger

Laut Polizeichef Saunders handelt es sich bei dem nicht vorbestraften Fahrer um einen 25-Jährigen namens Alek Minassian. Sein Wagen kam mit völlig demolierter Motorhaube auf dem Gehweg zum Stehen, ehe die Polizei ihn umstellte. Im Video eines Augenzeugen ist zu sehen, wie der Fahrer mit einem Gegenstand in Richtung eines Polizisten zeigt und dabei „Töte mich!“ sowie „Schieß' mir in den Kopf!“ ruft. Schüsse fielen vor seiner Festnahme aber nicht. Laut Polizeichef Saunders hatte der Mann auch gar keine Schusswaffe bei sich.

Minassian sei der Polizei von Toronto zu Folge ein 25-Jähriger, der nicht weit entfernt im Vorort Richmond Hill lebte. Einem Profil beim Online-Netzwerk LinkedIn zufolge besuchte er in der Nähe sieben oder acht Jahre lang ein College, wo er Ex-Kommilitonen zufolge Informatik studierte. Erst vergangene Woche sei Minassian am College gewesen, sagt der gleichaltrige Joseph Pham, der denselben Programmier-Kurs besuchte, dem „Toronto Star“. Parallel soll Minassian mehrere Jobs als Software-Entwickler gehabt haben.

Es ist nicht die erste Fahrzeug-Attacke in Kanada

„Er hat die Leben so vieler Menschen zerstört“, sagte Augenzeuge Alex Shaker dem Sender CTV. „Alles, was ihm in den Weg kam.“ Auch jemand mit einem Kinderwagen sei vom Auto erfasst worden. Kurz nach dem Schock versuchten Augenzeugen, verletzten Opfern zu helfen. Auf dem Gehweg waren Blutspuren zu sehen, Fotos zeigten mit orangefarbenen Planen bedeckte, offenbar leblose Körper.

Torontos Bürgermeister John Tory sprach den Bürgern Mut zu. „Die Stadt ist momentan in sicheren Händen“, sagte Tory. Er bat Anwohner, nach Hause zu gehen und Ruhe zu bewahren. „Es ist eine Zeit, in der wir so ruhig wie nur möglich sein sollten.“ Die Polizei sperrte die Gegend ab, auch der U-Bahnverkehr wurde unterbrochen.

In Kanada war es schon mehrmals zu Attacken mit Fahrzeugen gekommen. In Edmonton im Westen des Landes griff ein Angreifer im September einen Polizisten mit einem Messer an und rammte dann vier Menschen mit einem gemieteten Lieferwagen. 2014 fuhr ein Mann in Québec zwei Soldaten an, einer von ihnen kam ums Leben.

afp / dpa

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