Anglizismus des Jahres 2016 gekürt

Berlin - Erst kürzlich wurde „postfaktisch“ zum Wort des Jahres 2016 gekürt. Das Adjektiv beschreibt eine Zeit, in der manche ihr Bauchgefühl über Fakten stellen. Der Anglizismus des Jahres 2016 geht in eine ähnliche Richtung.
Die Initiative „Anglizismus des Jahres“ kürt seit 2010 den nach ihrer Einschätzung positiven Beitrag des Englischen zum deutschen Wortschatz. 2016 war das nach Meinung der Jury der Begriff „Fake News“.
Neben der „überwältigenden und anhaltenden öffentlichen Präsenz“ fülle der Begriff eine Lücke im deutschen Wortschatz, teilte die Jury um den Berliner Sprachwissenschaftler Anatol Stefanowitsch (Freie Universität Berlin) am Dienstag zur Begründung mit.
Das alles können „Fake News“ sein
„Fake News“ wird im Englischen den Angaben zufolge etwa seit dem Ende des 19. Jahrhunderts verwendet: Damals seien bewusste Falschmeldungen in Zeitungen ab und an so bezeichnet worden. Mit zunehmender Relevanz der sozialen Medien wurde die Wendung zunehmend für Phänomene wie erfundene Promi-Tode genutzt. Dahinter steckte die Absicht, Menschen auf bestimmte Internetseiten zu locken oder sie in die Irre zu führen, so die Jury. Im Deutschen nannte man dies zunächst „Hoax“.
Breit durchgesetzt habe sich der Ausdruck „Fake News“ seit November 2016 und Donald Trumps Erfolg bei den US-Präsidentschaftswahlen. Angeblich sollen ihm gefälschte Nachrichten zum Wahlsieg verholfen haben. Wie die Sprachwissenschaftler betonen, verschob sich damit die Bedeutung des Wortes hin zur politisch motivierten Falschmeldung. Gemeint ist also eine gezielte Manipulation von Menschen. Im allgemeinen Sprachgebrauch sieht die Initiative den Begriff hauptsächlich als Parole, mit der Meldungen abgetan werden, die nicht ins eigene Weltbild passen.
Die Jury überzeugte an „Fake News“ auch, dass es keine naheliegende deutsche Entsprechung gibt. Mit „Falschmeldung“ etwa werde nicht zwischen bewusster Irreführung und echten Fehlern unterschieden. Dabei bezeichne der Begriff „Fake“ im Englischen Dinge, die gezielt nachgebildet werden - Pelze zum Beispiel oder ein Lächeln. Der Bedeutung komme daher der teilweise eingedeutschte Ausdruck „Fakenachrichten“ nahe, so die Wissenschaftler.
Auch diese Anglizismen haben wir verinnerlicht
Auch der Begriff „Darknet“ für nicht ohne Weiteres zugängliche Bereiche des Internets hat es laut Jury 2016 in den allgemeinen Sprachgebrauch geschafft. Seit dem Amoklauf in München mit einer im Darknet gekauften Waffe tauche das Wort in der Presse auf und stehe zunehmend generell für Schattenseiten des Internets.
„Hate Speech“ bezeichne Hass-Beiträge in sozialen Netzwerken, „die irgendwo zwischen Volksverhetzung und diskriminierender Beleidigung liegen“. Die Initiative stellt fest: Wie bei „Fake News“ bündle der Begriff eine Debatte über den Umgang mit nicht unbedingt neuen Phänomenen, die mit Wucht ins öffentliche Bewusstsein gelangten.
„Anglizismen des Jahres“ in Deutschland: Die Sieger seit 2010
Die deutsche Initiative „Anglizismus des Jahres“ um den Berliner Sprachwissenschaftler Anatol Stefanowitsch würdigt seit 2010 „den positiven Beitrag des Englischen zur Entwicklung der deutschen Sprache“. Die bisherigen Sieger:
- 2016: „Fake News“ - für erfundene Nachrichten, politisch motivierte Falschmeldungen und für nicht ins eigene Weltbild passende Meldungen.
- 2015: „Refugees Welcome“ - als Reaktion auf fremdenfeindliche „Ausländer-raus-Parolen“ angesichts zunehmender Flüchtlingszahlen.
- 2014: „Blackfacing“ - umstrittene, rassistische Praxis, etwa im Theater, Schwarze darzustellen, indem man Weiße (stereotyp) schminkt.
- 2013: „-gate“ - Nachsilbe für Affären; Bezug zum Watergate-Skandal von 1972, der zum Rücktritt von US-Präsident Richard Nixon führte.
- 2012: „Crowdfunding“ - Möglichkeit, im Internet für ein Projekt in einer bestimmten Zeit aus Einzelbeiträgen Geld zu sammeln.
- 2011: „Shitstorm“ - Welle der Entrüstung über Institutionen oder Menschen, die über soziale Netzwerke und Blogs hoch schwappt.
- 2010: „leaken“ - das „Auslaufen“ geheimer Informationen an undichten Stellen.
dpa