Explosionen bei WILD-Werken und Lidl: Wer erkennt den mutmaßlichen Bombenbastler?
Eppelheim/Heidelberg - Nach dem Freispruch im Paketbomber-Prozess fangen die Ermittlungen wieder fast bei Null an. Wer kennt den Mann auf dem Überwachungsvideo?
Nach der spektakulären Wende im Prozess gegen einen 67-jährigen Verdächtigen im Paketbomben-Prozess am Landgericht Heidelberg stehen die Ermittler quasi wieder am Anfang ihrer Tätersuche. Der Rentner war überraschend am 19. November 2021 freigesprochen worden.
Firma | ADM WILD |
Branche | Lebensmittelindustrie |
Sitz | Eppelheim |
Produkte | Capri-Sun, Libella |
Gründungsjahr | 1931 |
Nach Freispruch für Verdächtigen: Erpressungsserie muss neu aufgerollt werden
Rückblick: Statt wie gefordert mit einer Freiheitsstrafe von 4,5 Jahren hat der Beschuldigte des Indizien-Prozesses das Gericht als freier Mann verlassen. Lediglich eine Geldstrafe von 60 Tagessätzen hat man ihm aufgebrummt – wegen unerlaubten Besitzes von Munition.
Die an Lidl, ADM WILD (Hersteller von „Capri-Sun“) und Hipp adressierten Sprengsätze konnten ihm nicht nachgewiesen werden.

Drei Unternehmen von Erpressungsserie betroffen – Opfer bei Explosion in Frankfurt schwer verletzt
Die Staatsanwaltschaften Frankfurt am Main, Heidelberg und das Landeskriminalamt Baden-Württemberg (LKA) führen gemeinsam die Ermittlungen im Zusammenhang mit einer Erpressungsserie, von der insgesamt drei Unternehmen der Lebensmittelbranche betroffen sind.
Bei der Explosion eines Sprengsatzes am 29. Dezember 2021 gegen 11:20 Uhr in der Oppenheimer Landstraße 77 in Frankfurt am Main wurde ein 74-jähriger Mann schwer verletzt. Der Sprengsatz, welcher in einer Plastiktüte verpackt war, lag in einer öffentlich zugänglichen Mülltonnenbox im Bereich eines Treppenaufgangs.
Mutmaßlicher Paketbomber in Postfiliale gefilmt
Die kriminaltechnischen Analysen sowie umfangreiche Ermittlungen zu dieser Tat in Frankfurt am Main ergaben Zusammenhänge zu weiteren zurückliegenden Taten in Baden-Württemberg und Bayern: Am 15. Februar 2021 wurden von einem bislang unbekannten Mann gegen 14 Uhr in einer Postfiliale in der Ulmer Innenstadt insgesamt drei Päckchen aufgegeben. Bei der Päckchenabgabe konnte der Mann von Überwachungskameras aufgenommen werden.
Eines der aufgegebenen Päckchen explodierte am 16. Februar 2021 beim Öffnen in der Postannahmestelle bei ADM WILD in Eppelheim. Hierbei ist ein 45-jähriger Angestellter verletzt worden.

Erpresserschreiben mit Forderungen in Millionenhöhe
Das zweite Päckchen explodierte am 17. Februar 2021 in der Postannahmestelle der Lidl-Zentrale in Neckarsulm. Hierdurch wurden drei Angestellte im Alter von 35, 34 und 32 Jahren teils schwer verletzt. Das dritte, an Hipp in Pfaffenhofen adressierte Päckchen, konnte am 17. Februar 2021 in einem Paketverteilzentrum bei München abgefangen und entschärft werden.
Zuvor waren bereits im Jahr 2019 und zum Jahresbeginn 2020 bei den in Baden-Württemberg und Bayern ansässigen Unternehmen Erpresserschreiben eingegangen, in denen mehrere Millionen Euro in einer Kryptowährung gefordert worden waren. Übrigens: Unser HEIDELBERG24-Newsletter informiert Dich regelmäßig über alles Wichtige, was in Deiner Stadt und Region passiert.
LKA Baden-Württemberg übernimmt Ermittlungen
Jeder der Sprengsätze enthielt Komponenten, die darauf schließen lassen, dass alle diese Taten miteinander in Verbindung stehen. Nach aktueller Einschätzung kann ein politisch oder terroristisch motivierter Hintergrund der Taten ausgeschlossen werden. In Abstimmung mit der StA Frankfurt und dem Polizeipräsidium Frankfurt am Main hat das LKA BW die Ermittlungen übernommen.
Der noch immer unbekannte Mann, der die Päckchen abgegeben hat, wird wie folgt beschrieben:
- 1,60 bis 1,70 m
- 60 bis 70 Jahre
- hellgraue/weiße Haare
- Bekleidung: langer dunkler Mantel, dunkle Hose, dunkle Schuhe, schwarze Lederhandschuhe, beiger Schal mit schwarzem auffälligem Rautenmuster, dunkle Schiebermütze
- zudem trug er bei der Tatausführung eine Brille sowie eine Mund-Nasen-Bedeckung
Zeugen gesucht – LKA stellt folgende Fragen an Bevölkerung
Das LKA BW hat folgende Fragen und bittet mögliche Zeuginnen und Zeugen um Mithilfe:
- Wer kann Angaben zu dem Mann aus dem Überwachungsvideo der Postfiliale in Ulm machen? Wer kann Angaben zu möglichen Kontakt- und Begleitpersonen des Mannes machen?
- Wer kann Angaben zum markanten Schal des unbekannten Mannes machen?
- Wer kann Angaben zu der Explosion in Frankfurt am Main am 29. Dezember 2021 machen bzw.
- wer hat in der Zeit zwischen dem zweiten Weihnachtsfeiertag und dem 29. Dezember 2021 in der Oppenheimer Landstraße 77 in Frankfurt / Sachsenhausen im Nahbereich eines Fahrradladens und der Zufahrt zum Parkplatz des dortigen Discounters verdächtige Wahrnehmungen gemacht? Insbesondere ist von Interesse, ob eine Person beobachtet wurde, die im dortigen Mülltonnenverschlag eine Plastiktüte abgestellt hat.
Ermittler setzen Belohnung in Höhe von 5.000 Euro aus
Für die Aufklärung der Ereignisse wurde beim LKA BW eine Ermittlungsgruppe eingerichtet. Für sachdienliche Hinweise wurde ein kostenloses Hinweistelefon unter der Telefonnummer 0800/503503533 (Inland) geschaltet. Aus dem Ausland kann das Hinweistelefon unter der Telefonnummer +49 711/93306660 erreicht werden.
Für Hinweise, die zur Aufklärung der Tat vom 15. Februar 2021 und zur Täterermittlung führen, hat die Staatsanwaltschaft Heidelberg eine Belohnung in Höhe von 5.000 Euro ausgesetzt. Für Hinweise, die zur Aufklärung der Tat vom 29. Dezember 2021 und zur Täterermittlung führen, hat die Staatsanwaltschaft Frankfurt am Main ebenfalls eine Belohnung in Höhe von 5.000 Euro ausgesetzt.

Weitere Informationen zu den Tatgeschehen werden am heutigen Mittwoch (16. März) in der Sendung „Aktenzeichen XY ungelöst“ bekannt gegeben.
LKA warnt: Finger weg von verdächtigen Gegenständen
Das LKA BW weist in diesem Zusammenhang auf Folgendes hin: Beim Auffinden von verdächtigen, abgelegten und herrenlosen Gegenständen wie beispielsweise Päckchen, Paketen, abgestellten Koffern, Taschen, Plastiktüten oder nicht zuordenbaren Kartonagen an öffentlichen Plätzen ist Vorsicht geboten. Grundsätzlich gilt:
- Belassen Sie verdächtige Gegenstände am Fundort.
- Versuchen Sie nie, den verdächtigen Gegenstand vom Fundort zu entfernen.
- Verdächtige Gegenstände sollten auf keinem Fall berührt, geschüttelt oder gar geöffnet werden.
- Bringen Sie sich ausreichenden Sicherheitsabstand und melden Sie Ihre Beobachtung der Polizei unter der Notrufnummer 110.
Um verdächtige Post- und Paketsendungen besser einschätzen zu können, wurde ergänzend ein Infoblatt herausgegeben. Dieses Infoblatt ist auf der LKA-Homepage unter https://praevention.polizei-bw.de/wp- content/uploads/sites/20/2021/02/infoblatt_brief-paketbomben.pdf abrufbar.
Bei Täterermittlung und Aufklärung der Tat: So läuft das mit der Belohnung
Über die Zuerkennung und gegebenenfalls Verteilung der Belohnung an Berechtigte wird unter Ausschluss des Rechtsweges entschieden. Die Belohnung ist ausschließlich für Privatpersonen und nicht für Beamtinnen und Beamte bestimmt, zu deren Berufspflichten die Verfolgung von Straftaten gehört.
Ebenfalls ausgeschlossen sind unmittelbar durch die Tat geschädigte Personen. Sollten mehrere Hinweise zur Tatermittlung beitragen, wird der jeweilige Betrag unter den Hinweisgebern nach Maßgabe der Bedeutung des Hinweises aufgeteilt. (PM/pek)