„You‘ll never walk alone“ statt Bazooka: Scholz versucht historisches Versprechen – darum geht es

„Wumms“ ist vorbei - rein rhetorisch jedenfalls: Olaf Scholz will mit Solidarität durch die neue Krise. Einige Versprechen hatte er am Freitag im Gepäck.
Berlin/München – Deutschland ist in der Gas-Krise noch einmal mit einem blauen Auge davongekommen. Vorerst. So scheint es jedenfalls: Seit Donnerstag (21. Juli) fließt wieder Erdgas aus Russland durch die Pipeline Nord Stream 1. Trotzdem schlug am Freitag eine unerwartet bedeutungsschwere Stunde für Olaf Scholz (SPD):
Putins Gas-Krise: Scholz will es nicht bei Uniper belassen – Kanzler macht mehrere Versprechen
Der Bundeskanzler musste den Einstieg der Bundesrepublik beim Gas-Versorger Uniper verkünden. Und er wollte es offenbar damit nicht bewenden lassen: Ein ganzes Paket weiterer Versprechen hatte Scholz im Gepäck. Hier und da verhaspelte sich der aus dem Sommerurlaub zurückgekehrte Regierungschef bei seinem Termin. Eine Kern-Botschaft kam aber deutlich heraus – die Bundesregierung will für den glimpflichen Ausgang der Krise garantieren. Diesmal weniger mit der „Bazooka“, denn mit demonstrativem Schulterschluss.
Scholz verpackte die ihm zufolge zugrunde liegenden „Prinzipien“ in die Worte eines Fan-Gesangs: „You‘ll never walk alone.“ „Wir sind gemeinsam stark genug, das zu schaffen“, meinte Scholz - ähnlich wie sein Stellvertreter Robert Habeck am Vorabend. „Wir werden alles Erforderliche tun, damit das auch gemeinsam gelingt und wir werden es so lange tun, wie das erforderlich ist“, sagte er zudem – und weckte Erinnerungen an Mario Draghi, der einst alle Euro-Sorgen mit dem bedingungslosen Versprechen „whatever it takes“ beendete. Bleibt die Frage, was das für die Menschen im Land konkret bedeuten soll. Die wichtigsten Punkte in Scholz‘-Sommerpaket im Überblick:
Ich finde, dass das sehr klug war, was Mario Draghi seinerzeit formuliert hatte – und ja auch dazu beigetragen hat, dass viele verstanden haben, dass das eine schwierige Zeit ist, aber dass sie sich darauf verlassen können, dass diejenigen, die die Verantwortung haben, das Notwendige tun werden. Und genau so ist es jetzt auch.
Was Kanzler Scholz am Freitag an neuen Entlastungen verkündet hat:
Scholz bereitete das Land auf höhere Heizkosten vor: Steigende Einkaufskosten für Gas würden wohl ab 1. September oder 1. Oktober an die Kunden weitergegeben - das könne für eine vierköpfige Familie 200 bis 300 Euro im Jahr ausmachen. Darauf wolle die Regierung aber reagieren.
Große Wohngeldreform: Auch eine eher überraschende „Entlastung“ für viele Bürger präsentierte Scholz: Eine „große Wohngeldreform“. Sie soll „Anfang des nächsten Jahres“ mehr Menschen in den Genuss der Unterstützung bringen und eine „Heizkostenpauschale gewissermaßen dauerhaft integrieren“. Besonders profitieren sollen laut Scholz Rentner – seiner Regierung war zuletzt vorgeworfen worden, die Rentner bei den Entlastungspaketen vergessen zu haben.
Gleiches galt für die Gruppe der Studenten. Und auch für sie hatte der Kanzler nun eine Ankündigung parat. Bei ihren Unterstützungsmöglichkeiten sollten ebenfalls Heizkostenzuschüsse mit untergebracht werden, sagte der Kanzler. Dies werde nun im Einzelnen diskutiert und vorbereitet. „Niemand wird mit seinen Herausforderungen und Problemen alleine gelassen“, betonte Scholz.
Bürgergeld: Scholz hat den Deutschen auch eine Bürgergeldreform zum 1. Januar 2023 versprochen: Der Kanzler nutzte das Wort „definitiv“. Die Ära „Hartz IV“ wäre damit beendet. Jedenfalls dem Etikett nach. Denn selbst wenn das Projekt im Koalitionsvertrag verankert ist – die Ampel-Parteien streiten weiter kräftig über die Umsetzung.
Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) hatte zuletzt schon erste Eckdaten der Pläne vorgestellt. Unter anderem sollen in einer halbjährigen Vertrauenszeit die Auflagen weniger streng ausfallen als im Hartz-System, Vermögen bis 60.000 Euro sollen in den ersten zwei Jahren nicht angetastet werden. Die FDP pocht hingegen auf die Möglichkeit von Strafmaßnahmen für Bürgergeld-Bezieher, wenn sie bei der Arbeitsvermittlung nicht mitwirken. Auch bessere Zuverdienstmöglichkeiten fordern die Liberalen. Scholz meinte derweil, er habe für seine Ankündigungen „das volle Einverständnis“ von Grünen und FDP.
Scholz‘ Versprechen bei der Uniper-Pressekonferenz: Söders erste Forderung sickert durch
Was noch? Der Kanzler verwies auch auf seine teils harsch kritisierte „konzertierte Aktion“. Es gebe „viele konkrete, gute Vorschläge“, noch mehr zu tun, darüber werde man beim nächsten Treffen mit September mit Arbeitgeber-Verbänden, Unternehmen und Gewerkschaften diskutieren. Einen Vorgeschmack gab Scholz: Als Lehre aus der Corona-Pandemie wolle man zum Beispiel für Unternehmens-Kredite bürgen; etwa wenn in Energiesparmaßnahmen investiert werde. Systemrelevante Unternehmen wolle die Bundesregierung auch mit Kapital stützen – so, wie jetzt bei Uniper. Auf Hilfe setzt der Kanzler auch von außen: „Solidarität“ gelte für alle Mitgliedsstaaten in der EU, sagte er.
Scholz‘ Versprechen: „Wir werden als Land sehr stabil durch diese Krise kommen.“ Neue Forderungen wurde aber schon Stunden später laut. Wenn es einen Rettungsschirm für Uniper gebe, dann müsse man auch Stadtwerken helfen, forderte Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) in einer kurzfristig anberaumten Schalte des Bundeskanzlers mit den Länder-Regierungschefs, wie die dpa aus Teilnehmerkreisen erfuhr. Die regionale Energieversorgung könne sonst gefährdet sein, sagte Söder.
Streitthema Atomkraft: Eine Laufzeitverlängerung für Atomkraftwerke hatte Scholz indes zuvor nicht final ausgeschlossen. Er verwies zwar auf das Comeback einiger Kohlekraftwerke sowie Energie-Sparmaßnahmen und den verhältnismäßig kleinen Anteil des Erdgas‘ an der Stromproduktion. Der Kanzler sagte aber auch: „Ich habe Ihnen ja berichtet, dass der Herr Bundesminister für Wirtschaft und Klima ja eine verschärfte Worst-Case-Szenario-Berechnung in Auftrag gegeben hat – die schauen wir uns mal an.“ (fn mit Material der dpa)