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„Ich nehme Olaf Scholz die Gedächtnislücken nicht ab“, sagt Gerhard Schick, Vorstand der Bürgerbewegung Finanzwende, einem Verein, der sich als Gegengewicht zur Finanzlobby versteht. Im Gespräch mit Merkur.de von IPPEN.MEDIA verweist Schick darauf, dass es mehrere Treffen zwischen Scholz und dem Banker gegeben habe. Und Olearius sei schließlich nicht irgendwer – sondern einer der bekanntesten Mäzene der Stadt, sagt Schick. Der ehemalige Grünen-Politiker glaubt, dass die Affäre Scholz noch gefährlich werden kann – vor allem dann, wenn sich entscheidende Zeugen noch äußern.
Dazu zählt Johannes Kahrs. Der SPD-Mann aus Hamburg machte sich nicht nur als gewiefter Haushaltspolitiker im Bundestag einen Namen – sondern auch als berüchtigter Strippenzieher. Vor zwei Jahren zog sich Kahrs überraschend aus der aktiven Politik zurück. Inzwischen ermittelt die Staatsanwaltschaft Köln im Zusammenhang mit Cum-Ex auch gegen ihn. Bekannt ist, dass sich Kahrs in der Vergangenheit für die Warburg-Bank engagierte, den Kontakt zwischen Scholz und Olearius hergestellt haben soll. Auffällig ist, dass der größte Teil der Spenden, die die Hamburger SPD im Jahr 2017 von der Warburg Bank erhalten hat, an den Kreisverband Mitte gingen. Der Vorsitzende: Johannes Kahrs. Kürzlich fanden Ermittler in einem Bankschließfach, das Kahrs gehört, 214.000 Euro. Woher das Geld stammt? Unklar. Es steht der Verdacht im Raum, dass es sich möglicherweise um eine Gegenleistung der Bank handeln könnte. Bislang schweigt Kahrs.
„Herr Scholz muss über seine Gespräche mit Johannes Kahrs aufklären“, sagt Fabio De Masi. Der Hamburger Linkenpolitiker ist im vergangenen Jahr aus dem Bundestag ausgeschieden. Dort hat er sich als unermüdlicher Aufklärer im Wirecard-Untersuchungsausschuss einen Namen gemacht. Heute sieht sich De Masi als „Finanzdetektiv“, schreibt außerdem Kolumnen für Tageszeitungen. Der Ex-Abgeordnete ist überzeugt: „Der Bundeskanzler hängt mit drin“, sagte er Merkur.de von IPPEN.MEDIA. „Vor Gericht wäre seine Glaubwürdigkeit jetzt bereits massiv beschädigt.“
Bei der Sommerpressekonferenz vergangene Woche wurde Scholz auch nach Johannes Kahrs, seinem letzten Kontakt zu ihm und der möglichen Herkunft des Geldes gefragt. Doch der Kanzler zeigte sich ahnungslos. „Ich bin genauso neugierig wie Sie“, sagte Scholz den Journalisten. Und überhaupt: Er habe ja bereits alles gesagt, was er wisse. Ex-Wirecard-Aufklärer De Masi hat dieser Auftritt irritiert. „Herr Scholz freut sich zu früh, die Ermittlungen nehmen jetzt erst Fahrt auf“, sagte er unserer Redaktion.
So angenehm wie Scholz es vorgibt sich vorzustellen, dürfte der Untersuchungsausschuss nicht werden. Zumal neue Recherchen den Kanzler unter Druck setzen. Nach Medieninformationen wurde das Postfach einer engen Scholz-Mitarbeiterin durchsucht. Dabei geht es um den Verdacht, dass gezielt – vor Scholz‘ erster Aussage im Untersuchungsausschuss im April – Mails und Kalendereinträge gelöscht worden sein könnten. Außerdem berichten Stern und Manager Magazin, dass Scholz bei zwei als vertraulich eingestuften Sitzungen des Bundestagsfinanzausschusses widersprüchliche Aussagen zu seinen Treffen mit dem Banker Christian Olearius gemacht habe.
Was der Kanzler dazu sagt? Regierungssprecher Steffen Hebestreit wollte sich vorab nicht äußern und verwies auf den Termin am Freitag. Dann sitzt Olaf Scholz ab 14 Uhr wieder im Plenarsaal der Hamburger Bürgerschaft. Diesmal nicht als Bürgermeister. Sondern als Bundeskanzler und Zeuge. Nichts hören, nichts sehen, nichts wissen – das war bislang die Strategie, mit der Scholz Fragen nach Cum-Ex abwehrte. Dabei wird es wohl bleiben. Das zumindest glaubt Fabio De Masi. Der frühere Linken-Abgeordnete geht davon aus, dass Scholz „sich vermutlich weiter wegducken“ werde. Dabei nehmen die Ungereimtheiten in der Cum-Ex-Affäre zu. Und viele Zeugen sind noch nicht gehört – für den Kanzler ist das brisant. Nach Inforationen der Welt hält sich die Staatsanwaltschaft Köln – anders als die Behörde in Hamburg – zudem Ermittlungen gegen Scholz offen.
Fabio De Masi jedenfalls ist überzeugt: „Es ist denkbar, dass Olaf Scholz über diese Affäre stürzt. Die Luft wird auf jeden Fall dünner für ihn.“