Merkel-Kritiker Bosbach spricht über „Grenzöffnung“ 2015: „Sie muss gewusst haben, ...“

Der ehemalige CDU-Politiker Wolfgang Bosbach gilt als einer der größten Kritiker von Angela Merkel. In einer Talkshow hat sich Bosbach zur Kanzlerin geäußert.
- Wolfgang Bosbach war von 1994 bis 2017 Bundestagsabgeordneter.
- Bosbach ist bekannt dafür, seine Meinungen in Talkshows zu äußern.
- Über Angela Merkel sagt er nun: „Das war ihre mutigste Entscheidung.“
Update vom 19. November 2019: Wolfgang Bosbach ist nicht der größte Fan von Angela Merkel und doch findet er für die Kanzlerin versöhnliche Worte. Ein überraschendes Urteil fällt er dahingegen in Bezug auf seine eigene Rolle in der Politik - und gibt damit indirekt auch Angela Merkel die Schuld am Aufstieg von rechtspopulistischen Kräften.
Bosbach überzeugt: Merz und er hätten anstelle von Merkel den Erfolg der AfD verhindert
Im Sommer hatte CDU-Mann Friedrich Merz bekundet: „Wenn Wolfgang Bosbach und ich früher in der Bundesregierung Verantwortung gehabt hätten, hätte es die AfD in dieser Form nicht gegeben.“ Diese Auffassung teile Bosbach, wie er in der Online-Talkshow von Focus erklärt.
Die AfD sei vor 2015 aufgrund von Personalquerelen gestrauchelt. „Dann kam die Flüchtlingspolitik“, sagt er und weiter: „Das war aus Sicht der AfD ein Geschenk des Himmels.“ Was hätte er anders gemacht als Angela Merkel? „Meiner festen Überzeugung nach hätte man die sogenannte Grenzöffnung im September 2015 ganz ausdrücklich als Ausnahmefall erklären müssen“, erklärt Bosbach. Schon damals hätte laut dem ehemaligen Bundestagsabgeordneten eine europäische Lösung gefunden werden müssen.
Angela Merkels Kritiker Bosbach über „Grenzöffnung“ 2015: „Sie muss gewusst haben, ...“
Ursprungsartikel vom 18. November 2019: München - Wolfgang Bosbach und Angela Merkel wurden während ihrer gemeinsamen Zeit nie wirklich Freunde. Und das, obwohl beide das Gesicht ihrer Partei entscheidend geprägt haben. Merkel ist seit 2005 Bundeskanzlerin, Bosbach war zwischen Februar 2000 und November 2009 stellvertretender Vorsitzender der Bundestagsfraktion der Union - und damit auch Stellvertreter von Angela Merkel. Innerhalb der Fraktion war Bosbach unter anderem für die Themen Innenpolitik sowie Vertriebene und Flüchtlinge zuständig. Auch wenn der ehemalige Bundestagsabgeordnete nie ein Ministeramt hatte, so ist er für seine klaren Aussagen bekannt und stellte sich auch oft gegen die eigene Partei. In einer Online-Talkshow hat er sich nun wieder über die Bundeskanzlerin geäußert - mit einer doch überraschenden Aussage.
Bosbach und Merkel nicht immer einer Meinung
Wolfgang Bosbach steht für Klartext, während Angela Merkel, die gerade von Sahra Wagenknecht als beliebteste Politikerin abgelöst wurde, sich stets als diplomatische Parteichefin gibt. Gerade in der Flüchtlingspolitik waren die beiden nicht immer einer Meinung. Auf der einen Seite der konservative Bosbach, auf der anderen Seite eine Bundeskanzlerin, unter der die CDU ein Stück weit nach links gerückt ist.
Der frühere Politiker für Innenpolitik ist zudem der Auffassung, dass es nicht verboten sei, der Kanzlerin zu widersprechen, wie er in einem Interview mit Merkur.de* klarstellte.
Angela Merkel: Bosbach findet 2015 „ihre mutigste Entscheidung“
In der Focus-Online-Talkshow „Talking Good“ sprach Wolfgang Bosbach über das Thema Mut. Hierbei kam er auch auf Angela Merkel und ihre Flüchtlingspolitik zu sprechen. Bosbach erkennt den Mut der Bundeskanzlerin an, den sie im September 2015 aufbrachte: „Die mutigste Entscheidung war sicherlich Anfang September 2015 die sogenannte Grenzöffnung. Das war eine mutige Entscheidung, denn Angela Merkel muss gewusst haben, was das innenpolitisch für Spannungen auslösen wird. Es war ihre Überzeugung. Da ist sie mutig gewesen.“
Überraschend versöhnliche Töne, ging Bosbach doch gerade beim Thema Migration immer wieder auf Distanz zu Merkel. Noch heute sind die Folgen dieses Beschlusses in Deutschland zu spüren. Die Mehrheit der Deutschen hält die Bundesregierung für planlos und nicht handlungsfähig in Sachen Flüchtlingspolitik.
Bosbach zieht Parallele zu Helmut Kohl: „Dachte nur noch an sein Bild in den Geschichtsbüchern“
Auch für die Frage, ob sich Merkels Mut in den letzten 14 Jahren geändert habe, fand der Politiker Worte: „Ich habe schon bei Helmut Kohl gehört und gelesen, dass dieser nur noch an sein Bild in den Geschichtsbüchern denke.“ Helmut Kohl war von 1982 bis 1998 Bundeskanzler und ist damit Rekordhalter. Auch Angela Merkel kann diesen Rekord erreichen. „Nach so langer Zeit“, so Wolfgang Bosbach, „wird dieses Etikett jedem angeheftet, auch Angela Merkel“. Auch zur Nachfolge Merkels hat Bosbach eine klare Meinung und kritisiert seine Kollegen.
Video: Ein Jahr ohne Bosbach
Kritik und einen Aufruf zu Handeln müssen sich Angela Merkel und ihre CDU auch von einer anderen Seite gefallen lassen: Einen Tag vor dem CDU-Parteitag hat die Nichtregierungsorganisation Greenpeace das C aus dem Parteilogo vor der CDU-Parteizentrale geklaut. Was bleibt ist eine Botschaft „Du sollst...“.
pmo
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