So funktioniert das Europaparlament: Aufgaben, Fraktionen, Wahlverfahren

Das Europaparlament wird 2019 neu gewählt: Alles über Sitze, Fraktionen, Aufgaben - und was nach einem Brexit aus den Sitzen der Briten wird.
Das Europaparlament vertritt derzeit rund 500 Millionen Menschen aus 28 EU-Staaten. Alle fünf Jahre sind die Bürgerinnen und Bürger der EU aufgerufen, das einzige direkt demokratisch gewählte Organ der Europäischen Union neu zu bestimmen. Im Mai 2019 ist es wieder soweit: Im Zeitraum zwischen 23. und 26. Mai 2019 wird das Europäische Parlament (EP) gewählt, in Deutschland ist Europa-Wahltag am Sonntag, 26. Mai 2019.
Wer darf das Europaparlament wählen?
Wahlberechtigt sind bei der Europawahl 2019 alle EU-Bürger, in Deutschland alle deutschen Staatsangehörigen, die das 18. Lebensjahr vollendet haben und in der Zeit nach dem 23. Mai 1949, dem Gründungstag der Bundesrepublik Deutschland, für mindestens drei Monate ohne Unterbrechung in der BRD oder der DDR gewohnt haben. Außerdem sind in Deutschland auch alle Unionsbürger bei den Europawahlen wahlberechtigt, sofern sie mindestens 18 Jahre alt sind und sich seit mindestens drei Monaten in der Europäischen Gemeinschaft aufhalten.
Die Voraussetzungen für die Teilnahme an der Europawahl sind in den EU-Mitgliedsstaaten nicht einheitlich. In Österreich darf man bereits ab dem 16. Lebensjahr wählen. Manche Länder haben zudem Sperrklauseln, also eine Drei-, Vier- oder Fünfprozenthürde. In Deutschland gibt es seit 2014 keine Sperrklauseln für Europawahlen mehr, nachdem das Bundesverfassungsgericht die Drei-Prozent-Hürde gekippt hat.
Welche Parteien in diesem Jahr eine realistische Chance auf den Einzug ins Europaparlament haben, erfahren Sie in den aktuellen Umfragen zur Europawahl.
Sitz des Europaparlaments: Brüssel oder Straßburg?
Seinen Sitz hat das Europaparlament in Straßburg, wo die Abgeordneten zwölf Mal im Jahr zu einer jeweils viertägigen Sitzung zusammenkommen. Weitere Arbeitsorte sind Brüssel, wo Ausschuss- und Fraktionssitzungen stattfinden, und Luxemburg, Sitz des Generalsekretariats des Europaparlaments - also der Verwaltung.
Welche Aufgaben hat das Europaparlament?
Das Europaparlament hat drei Aufgaben:
- Es ist zuständig für die EU-weite Gesetzgebung, verabschiedet also Rechtsvorschriften, die für alle Mitgliedsstaaten der EU verbindlich sind. Diese Aufgabe teilt sich das Europaparlament mit dem Rat der Europäischen Union, dem Gremium, in dem aus jedem Mitgliedsland ein Fachminister vertreten ist - je nach Themengebiet beispielsweise die nationalen Agrarminister oder die Außenminister aus allen Mitgliedsstaaten. Vorgelegt werden die Gesetzentwürfe von der Europäischen Kommission, einem Organ, in dem alle EU-Mitgliedsstaaten mit einem sogenannten "Kollegium" vertreten sind. Die EU-Kommission ist die Exekutive, setzt also die Beschlüsse des Europaparlaments um. Die Abgeordneten des EU-Parlaments bestimmen den Präsidenten der EU-Kommission und damit einen der wichtigsten Posten in der EU. Seit 2014 muss dabei das Wahlergebnis berücksichtigt werden: Das Amt geht in der Regel an den Spitzenkandidaten der Fraktion, die als stärkste Kraft aus den Europawahlen hervorgeht. Derzeit ist der Belgier Jean-Claude Juncker Präsident der EU-Kommission.
- Das Europaparlament übt parlamentarische Kontrollrechte aus: Die EU-Kommission muss dem Europaparlament Rechenschaft über seine Arbeit ablegen. Das Europaparlament kann Untersuchungsausschüsse einsetzen und die EU-Kommission sogar zum Rücktritt zwingen.
- Das Europaparlament übt das Haushaltsrecht aus, befindet also zusammen mit dem Europäischen Rat darüber, wie die Gelder der EU verwendet werden.
Stimmen Sie ab: Gehen Sie bei der Europawahl wählen?
Welche Fraktionen sitzen im Europaparlament?
In der aktuellen Zusammensetzung besteht das Europaparlament aus acht Fraktionen und 22 fraktionslosen Abgeordneten. Die 160 nationalen Parteien, denen die Europaparlaments-Abgeordneten in ihren Heimatstaaten angehören, haben auf EU-Ebene Bündnisse geschmiedet und sich zu Europa-Parteien zusammengetan. Diese wiederum haben sich teilweise zu Fraktionen zusammengeschlossen. Die derzeit größte Fraktion bildet die Europäische Volkspartei EVP, der beispielsweise CDU-Politiker aus Deutschland angehören. Zweitstärkste Fraktion ist die Sozialdemokratische Partei Europas, die SPE.
Aktuelle Sitzverteilung der Parteien im Europaparlament bis Mai 2019
Fraktion | Partei | Abgeordnete | Größe |
Fraktion der europäischen Volksparteien | Europäische Volkspartei (EVP) | 217 | 29% |
Progressive Allianz der Sozialdemokraten im Europäischen Parlament | Sozialdemokratische Partei Europas (SPE) | 187 | 25% |
Europäische Konservative und Reformer | Allianz der Konservativen und Reformer in Europa (ACRE)Europäische Christliche Politische Bewegung (ECPM)Europäische Freie Allianz (EFA) | 75 | 10% |
Allianz der Liberalen und Demokraten für Europa | Allianz der Liberalen und Demokraten für Europa (ALDE)Europäische Demokratische Partei | 68 | 9% |
Vereinte Europäische Linke/Nordische Grüne Linke | Partei der Europäischen Linken (EL)Europäische Freie Allianz (EFA) | 52 | 7% |
Die Grünen/Europäische Freie Allianz | Europäische Grüne Partei (EGP)Europäische Freie Allianz (EFA)Europäische Piratenpartei (PPEU) | 52 | 7% |
Europa der Freiheit und der direkten Demokratie | Allianz der Europäischen nationalen Bewegungen (AEMN) | 41 | 6% |
Europa der Nationen und der Freiheit | Bewegung für ein Europa der Nationen und der Freiheiten (MENL) | 37 | 5% |
Fraktionslose | Allianz der Europäischen Nationalen Bewegungen (AEMN)Allianz für Frieden und Freiheit (APF)Initiative kommunistischer und Arbeiterparteien Europas (INITIATIVE) | 22 | 3% |
Einen praktischen Vergleich der Wahlprogramme aller Parteien, die in Deutschland antreten, bietet unter anderem der Wahl-O-Mat für die Europawahl 2019.
Was passiert mit den Europaparlament-Sitzen der Briten?
Seit der Europawahl 2014 hat das Europaparlament 751 Mitglieder - 750 normale Abgeordnete plus ein Präsident. Die Zahl der Abgeordneten soll sich mit der Europawahl 2019 und nach dem Brexit verringern: Tritt Großbritannien wie geplant aus der EU aus, so sind die zuvor 73 Sitze der Briten vakant. 27 dieser Sitze werden auf die anderen Mitgliedsstaaten verteilt, weitere 46 Sitze bleiben nach der Europawahl 2019 zunächst unbesetzt - eine Reserve für künftige EU-Erweiterungen. Nach der Wahl 2019 wird das Europaparlament 705 Sitze haben.
Hat Europa eine "Regierung"?
Die Fraktionen im Europaparlament bilden keine Regierungskoalition, wie sie aus nationalen Volksvertretungen bekannt ist. Die Beschlüsse erfolgen vielmehr jeweils mit wechselnden Mehrheiten. In der Regel fasst das Europaparlament Beschlüsse mit einfacher Mehrheit, in Ausnahmefällen ist eine Zwei-Drittel-Mehrheit nötig, etwa bei einem Misstrauensvotum gegen die EU-Kommission.
Wer ist der Präsident des Europaparlaments?
Geleitet wird das Europaparlament von einem Präsidenten, der alle zweieinhalb Jahre wechselt. Bis Juni 2014 war der deutsche SPD-Politiker Martin Schulz Präsident. Seit Dezember 2017 hat Antonio Tajani (Italien) von der Europäischen Volkspartei das Amt inne.
Historie des Europaparlaments
Seinen Anfang nahm das Europaparlament mit der Gründung der "Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl" (EGKS) im Jahr 1952. Die nationalen Parlamente entsandten 78 Abgeordnete in eine "Gemeinsame Versammlung", die im Grunde keine Entscheidungsbefugnisse hatte, sondern nur eine beratende Funktion.
1962 wurde die Versammlung in "Europäisches Parlament" umbenannt. In den folgenden Jahrzehnten wurden die Kompetenzen der Abgeordneten schrittweise ausgebaut. In den 1970er Jahren bekam das Parlament die Befugnisse, beim Haushalt mitzureden. Der Vertrag von Maastricht, mit dem 1992 die Europäischen Union gegründet wurde, billigte dem Europaparlament das Recht zu, Gesetze zu verabschieden.
Seit 1979 wird das Europaparlament direkt und alle fünf Jahre gewählt. An dieser Stelle finden Sie einen Überblick über die Wahlbeteiligung bei Europawahlen.
Monika Gemmer