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FDP-Politiker sieht während Corona „Anschlag auf die europäische Demokratie“ - auch Maas besorgt

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Von: Andreas Schmid

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Heiko Maas (r.) mit Andrzej Duda. Der polnische Präsident steht aufgrund seiner Entscheidung während der Corona-Krise in der Kritik.
Heiko Maas (r.) mit Andrzej Duda. Der polnische Präsident steht aufgrund seiner Entscheidung während der Corona-Krise in der Kritik. © picture alliance / Kay Nietfeld/ / Kay Nietfeld

Leidet die Demokratie in Corona-Zeiten? Diesen Schluss lassen die Entwicklungen in Polen und Ungarn zu. Auch Heiko Maas kritisiert die derzeitigen Zustände.

Berlin - Krisensituationen sind stets Zeiten der Exekutive. Die führenden Politiker geraten in den Fokus, während es für die Opposition oftmals schwierig ist, sich Gehör zu verschaffen - vor allem, wenn die ausführende Regierung diesen Gegenstimmen einen vehementen Riegel vorschiebt, sie nicht toleriert und Kritiker mit neuen Gesetzen mundtot macht. Derartige politische Zustände sind momentan in mehreren Ländern zu beobachten - auch innerhalb der EU. Die Demokratie leidet daher unter der Corona-Krise.

Als europäischen Negativbeispiele werden dabei immer wieder Polen und Ungarn angeführt. Ein Blick auf die dortige politische Lage zeigt, dass die beiden Länder diesen Titel durchaus berechtigterweise tragen. 

Coronavirus: Polens sofort benötigte Präsidentschaftswahl - Ungarns umstrittene Sonderrechte

Jüngst brachte die polnische Regierung kurzerhand ein Gesetz ein, wonach die anstehende Präsidentschaftswahl wegen der Coronavirus-Pandemie als reine Briefwahl durchgeboxt werden sollte. Da die Umfragewerte des polnischen Präsidenten Andrzej Duda zuletzt sanken, wollte der Machthaber die Wahl wohl schnell über die Bühne gehen lassen. Wegen des coronabedingten Versammlungsverbots konnte die Opposition nämlich keinen Wahlkampf machen. Der Versuch scheiterte letztlich, die Wahl wird erst im Juni stattfinden.

Der rechtsnationale ungarische Ministerpräsident Viktor Orban hatte sich in der Corona-Krise vom Parlament in Budapest mit umfangreichen und zunächst unbefristeten Sondervollmachten ausstatten lassen. Am Freitagnachmittag (15. Mai) gab der 56-Jährige bekannt, sie Ende Mai abzugeben. Ein entscheidender Inhalt dabei ist derzeit noch, dass Orban im Notstand unbefristet per Dekret regieren kann. Zudem solle auch gegen Falschmeldungen vorgegangen werden. Kritiker sehen darin jedoch nur ein Alibi, um politischen Gegner einen Maulkorb zu verpassen.

Andrzej Duda (r.) und Viktor Orban (m) nutzen die Corona-Krise auch um umstrittene Sonderregelungen auf den Plan zu bringen. In beiden Ländern waren zuletzt vermehrt autokratische Tendenzen zu erkennen.
Andrzej Duda (r.) und Viktor Orban (m.) nutzen die Corona-Krise auch um umstrittene Sonderregelungen auf den Plan zu bringen. In beiden Ländern waren zuletzt vermehrt autokratische Tendenzen zu erkennen. © picture alliance / dpa / Radek Pietruszka

Corona-Krise innerhalb der EU: FDP-Politiker stellt klar - „Anschlag auf die europäische Demokratie“

Konstantin Kuhle, innenpolitischer Sprecher der FDP-Fraktion im Deutschen Bundestag, berichtete am Mittwoch (13. Mai) von einem Fall aus Ungarn, nach dem ein Mitglied der liberalen Oppositionspartei Momentum verhaftet worden sei, weil es eine „gesundheitspolitische Maßnahme der Regierung kritisierte.“ Mit der Unterbindung der Verbreitung von Fake-News habe dies aber wenig zu tun, wie Kuhle ausführt, sondern vielmehr mit einem „Anschlag auf die europäische Demokratie.“

Im weiteren Verlauf seines Statements forderte Kuhle ein energischeres Handeln seitens der EU, denn „wer europäische Werte mit Füßen tritt, der darf nicht auch noch mit europäischen finanziellen Mitteln nach Hause gehen.“

Corona-Krise in der EU: „Reporter ohne Grenzen“ befürchtet Verschlechterung der Lage für Journalisten

Die Organisation „Reporter ohne Grenzen“ bemerkt in der Corona-Krise unterdessen nicht nur Einschneidungen für Politiker, sondern auch für Journalisten. Die Coronavirus-Pandemie werde zum Anlass genommen, unabhängige Stimmen zum Schweigen zu bringen, sagte Geschäftsführer Christian Mihr jüngst dem Radiosender B5 aktuell. 

Im jährlich herausgegebenen Ranking der Pressefreiheit rangiert Polen auf Platz 63, Ungarn sogar nur auf 89 - im europäischen Vergleich weisen nur die Ukraine (Platz 96), Bulgarien (111), Russland (149) und die Türkei (154) schlechtere Platzierungen auf. Den letzten Platz belegt übrigens Nordkorea, Spitzenreiter ist NorwegenDeutschland kletterte im Vergleich zum letzten Jahr um zwei Plätze auf Rang elf. 

Trotz der internationalen Kritik an den Sonderrechten in Polen und Ungarn wollte die EU-Kommission vorerst nicht einschreiten. Mittlerweile hat sie ihre Sicht dahingehend geändert. Es sei an der Zeit, die Einschränkung von Grundrechten zurückzufahren. Vor allem im Falle Ungarns werde man darauf strikt achten, sagte Vizepräsidentin Vera Jourova am Donnerstag (14. Mai) im Europaparlament.

Heiko Maas: Die Demokratie leidet unter der Corona-Krise: „Drastische Einschränkungen der Menschenrechte“

Auch Deutschlands Außenminister Heiko Maas beklagt drastische Einschränkungen der Menschenrechte unter dem Deckmantel der Corona-Krise: „Wir sehen auch mit großer Sorge, wie die Krise das Autoritäre befördert“, sagte der SPD-Politiker am Freitag im Bundestag. Das habe vielfach „dramatische Folgen“. Als Beispiele nannte er zunehmende Repressalien gegen Journalisten in Russland, Venezuela, im Iran, in der Türkei und in China, spannte den Bogen aber auch zurück in die EU, denn „auch mitten in Europa erleben wir, wie Notstandsmaßnahmen benutzt werden, um den Rechtsstaat zu beschneiden.“

Aufgrund der Corona-Krise will die Warenhauskette Galeria Karstadt Kaufhof nun drastische Konsequenzen ziehen.

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