„Alarmsignale“: Deutschland war noch nie so abhängig von China wie heute
Deutsche Politiker warnen, man dürfe „nicht die füttern, die uns am Ende fressen wollen“. Neue Wirtschaftsdaten aber zeigen: Im Falle von China passiert genau das.
München/Köln – Deutschland muss unabhängiger werden von China: Das fordern Politiker fast aller deutscher Parteien spätestens seit dem russischen Angriff auf die Ukraine. Denn auch die Volksrepublik verhält sich zunehmend aggressiv und droht damit, das demokratische Taiwan anzugreifen. Neue Wirtschaftsdaten zeigen aber: Die deutschen Abhängigkeiten von China werden nicht kleiner, sie wachsen sogar noch. So wurden im vergangenen Jahr Waren im Rekordwert von 298 Milliarden Euro zwischen beiden Ländern gehandelt, ein Plus von 21 Prozent im Vergleich zu 2021. Das geht aus Zahlen des Statistischen Bundesamts in Wiesbaden hervor. China war damit zum siebten Mal in Folge der wichtigste Handelspartner der Bundesrepublik, gefolgt von den USA (rund 248 Milliarden Euro) und den Niederlanden (rund 234 Milliarden).
Das Institut der deutschen Wirtschaft (IW) in Köln findet vor allem das Ungleichgewicht in den Handelsbeziehungen alarmierend: Deutschland importiert deutlich mehr aus China als andersherum, zuletzt überstieg die Summe der Importe aus China die der Exporte um mehr als 84 Milliarden Euro, so das IW. Im Jahr zuvor lag das Handelsdefizit der Bundesrepublik noch bei 39,4 Milliarden Euro. Gleichzeitig schwächelten zuletzt die deutschen Exporte nach China.
China-Experte: „Deutsche Wirtschaft wäre im Falle eines bewaffneten Konflikts um Taiwan erpressbar“
Jürgen Matthes, China-Experte beim IW, spricht von „Alarmsignalen“: „Da bewegt sich etwas in die völlig falsche Richtung“, so Matthes. „Unsere importseitige Abhängigkeit ist ein geopolitisches Risiko. Denn die deutsche Wirtschaft wäre im Falle eines bewaffneten Konflikts um Taiwan erpressbar.“ China betrachtet Taiwan als abtrünnige Provinz und will die Insel notfalls auch mit Gewalt mit dem Festland „wiedervereinen“, wie Staats- und Parteichef Xi Jinping zuletzt im Oktober unterstrich.
Das Ungleichgewicht in den deutsch-chinesischen Wirtschaftsbeziehungen dürfte ganz im Interesse der chinesischen Führung sein: Bereits im April 2020 hatte Xi Jinping das Ziel vorgegeben, „die Abhängigkeiten der internationalen Lieferketten von China zu steigern“; gleichzeitig solle sich China vom Westen unabhängiger machen, etwa durch eine Ankurbelung des Binnenkonsums. Laut IW-Experte Matthes sorgt China aktiv dafür, das Ausland zunehmend in die Abhängigkeit zu treiben: Staatliche Subventionen würden die Preise für Exportgüter drücken, außerdem werde Druck auf deutsche Tochterunternehmen in China ausgeübt, chinesische Unternehmen in ihre Lieferketten einzubinden.
Sorgen machen Wirtschaftsexperten zunehmend auch die Abhängigkeit der deutschen Wirtschaft von Seltenen Erden aus China. Wie das Statistische Bundesamt unlängst mitteilte, stammen fast 60 Prozent der Seltenen Erden, die Deutschland in den ersten elf Monaten des vergangenen Jahres importiert hat, aus der Volksrepublik. Bei einigen Metallen lag der Anteil der chinesischen Importe sogar bei fast 100 Prozent.
Strack-Zimmermann über China: „Nicht die füttern, die uns am Ende fressen wollen“
Die Bundesregierung strebt eine zunehmende Unabhängigkeit von China an, warnt aber vor einer kompletten Abkoppelung, da dies fatale Folgen für die deutsche Wirtschaft habe. Unter dem Schlagwort „China plus eins“ sollen vor allem in den Ländern Südostasiens neue Handelspartner gewonnen werden.
Trotz dieser Bemühungen sorgen immer wieder auch massive Investitionen deutscher Unternehmen in der Volksrepublik für Schlagzeilen. So kündigte der Ludwigshafener Chemieriese BASF im vergangenen Jahr an, bis Ende der Dekade zehn Milliarden Euro in seinen Standort im südchinesischen Zhangjiang stecken zu wollen. Angesichts Chinas „aggressiver“ Außenpolitik sei eine solche Entscheidung „krass“, sagte unlängst die FDP-Verteidigungsexpertin Marie-Agnes Strack-Zimmermann im Interview mit unserer Redaktion. „Geschäfte zu machen, ohne wahrzunehmen, was geostrategisch in der Welt geschieht, das geht heute nicht mehr. Man muss schon im Auge behalten, nicht die zu füttern, die uns am Ende fressen wollen“, so die Bundestagsabgeordnete.