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Afghanistan: Taliban will Emirat ausrufen - Evakuierung deutscher Staatsbürger wird vorgezogen

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Von: Astrid Theil

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Ein Hubschrauber der USA von Typ Chinook überfliegt die Stadt Kabul am Sonntag.
Ein Hubschrauber der USA von Typ Chinook überfliegt die Stadt Kabul am Sonntag. © Rahmat Gul/dpa

Der afghanische Präsident ist geflohen, die Taliban wollen ein Emirat ausrufen. Erste deutsche Staatsbürger sollen heute ausgeflogen werden. News-Ticker.

Update vom 15. August, 20.40 Uhr: Außenminister Heiko Maas bestätigte, dass die Machtübernahme der Taliban unmittelbar bevorstehe. Das deutsche Botschaftspersonal sei in einen militärisch gesicherten Bereich des Flughafens in Kabul untergebracht worden.

Angesichts der sich zuspitzenden Lage wird die Evakuierung von deutschen Staatsbürgern und Ortskräften beschleunigt. Ein Teil von ihnen werde, so Maas, noch im weiteren Verlauf des Tages aus Kabul ausgeflogen. Darüber hinaus würden in der Nacht Flugzeuge mit Soldaten der Bundeswehr nach Kabul fliegen, um die Aktion zu unterstützen. Die Personen würden dann mit Militärmaschinen zunächst in ein Nachbarland geflogen. Von dort aus sollen auch zivile Flugzeuge die Betroffenen nach Deutschland bringen.

Machtübernahme in Afghanistan: Taliban will Islamisches Emirat ausrufen

Die Taliban sind nach eigenen Angaben in mehrere Bezirke der afghanischen Hauptstadt Kabul vorgerückt und haben auch die Kontrolle über den Präsidentenpalast übernommen. Dieser war verwaist, da Präsident Aschraf Ghani wenige Stunden zuvor geflohen war.

Wie mehrere Medien berichten, wollen die Taliban nach eigenen Angaben die Wiedererrichtung des „Islamischen Emirats Afghanistan“ verkünden. Der Nachrichtenagentur AFP zufolge sagte ein ranghoher Taliban-Vertreter, dies werde bald am Präsidentenpalast in Kabul geschehen. Schon 1996 bis 2001 hieß das Land unter der Taliban-Herrschaft so.

Machtübernahme in Afghanistan: Söder kritisiert die USA

Auch Markus Söder hat sich zu Wort gemeldet. Bei Bild Live „Die Richtigen Fragen“ sagte er, dass die Bilanz in Afghanistan politisch, strategisch und militärisch am Ende verheerend sei. Der CSU-Chef rechnet mit einer neuen Flüchtlingswelle, bei deren Bewältigung auch die Amerikaner helfen müssen. Aus seiner Sicht seien die USA in erster Linie gefordert, eine Antwort zu bieten. „Die Amerikaner waren federführend in diesem Einsatz und haben federführend jetzt entschieden, das Land zu verlassen“, sagt Söder. „Ausfliegen der eigenen Leute, das wird dieses Mal nicht reichen.“

Taliban vor den Toren Kabuls: Übergangsregierung soll für friedliche Machtübergabe sorgen

Update vom 15. August, 12.00 Uhr: Die Taliban befinden sich nach wie vor am Stadtrand Kabuls - der letzten freien Stadt Afghanistans. Sie hatten angekündigt, an einer friedlichen Übergabe der Hauptstadt interessiert zu sein. Die afghanische Regierung hat daher nun angekündigt, dass es zu einer „friedlichen Machtübergabe“ kommen solle. „Es wird kein Angriff auf die Stadt geben“, sagte Innenminister Abdul Sattar Mirsakwal heute (15. August) in einer Ansprache. Es soll eine „Übergangsregierung“ gebildet werden.

Angesichts der schnellen Eroberung weiter Teile Afghanistans durch die Taliban sieht sich die Regierung wohl zu diesem Schritt gezwungen. Russland kündigte derweil eine Dringlichkeitssitzung des UN-Sicherheitsrates zur Lage in Afghanistan an. Diese ist bereits in Vorbereitung: „Wir arbeiten daran“, sagte ein Vertreter des Außenministeriums laut russischen Nachrichtenagenturen.

Update vom 15. August, 10.30 Uhr: Mit dem Vormarsch der Taliban kommt es nun auch wieder vermehrt zu Folter, Demütigung und Mord. Ein Beispiel dafür sind Videos und Bilder, die zwei mutmaßliche Straftäter zeigen, die von Talibankämpfern an einem Strick und mit geschwärzten Gesichtern durch die westafghanische Stadt Herat geführt wurden. Die Männer wurden von der islamistischen Miliz des Diebstahls bezichtigt.

Die Aufnahmen verbreiteten sich über die Sozialen Netzwerke. Ein afghanischer Journalist hatte diese geteilt und kommentiert, dass sich der Vorfall am Freitag nach dem Freitagsgebet in der Stadt Herat ereignet habe. Bewohner der Stadt haben dies bestätigt. Die Taliban hatten Herat als drittgrößte Stadt Afghanistans am Donnerstag eingenommen.

Drakonische Strafen: Taliban demütigen, foltern und morden wieder

In dem Video rufen die Männer „Gott ist groß“ und „Lang lebe das Islamische Emirat Afghanistan“. Letzteren Begriff verwenden die Taliban, um das Land vor dem Einmarsch der US-Truppen im Jahr 2001 zu beschreiben. Zuletzt wurde wiederholt berichtet, dass die Taliban in den eroberten Gebieten wieder wie während ihrer Herrschaft von 1996 bis 2001 unmenschliche Strafen verhängen. Die New York Times berichtete Ende Juli, dass die Taliban in einer Stadt nördlich von Laschkargah zwei Männer am Eingangstor der Stadt gehängt hätte.

Update vom 15. August, 10.00 Uhr: Nachdem die Taliban auch die ostafghanische Stadt Dschalalabad eingenommen haben, stehen sie nun bereits am Stadtrand der letzten Stadt und Hauptstadt Afghanistans: Kabul. Die afghanische Regierung droht nun die letzte Großstadt des Landes zu verlieren.

Taliban hat Kabul erreicht: Angriff steht bevor

Laut Informationen der Nachrichtenagentur Agence France-Presse haben die Taliban den Stadtrand Kabuls erreicht. Zu Kampfhandlungen sei es bisher noch nicht gekommen. Die Terroristen würden aber bereits in den Außenbezirken Kalakan, Qarabagh und Paghman stehen.

Update vom 15. August, 09.50 Uhr: Das Land Berlin hat sich bereiterklärt, Flüchtlinge aus Afghanistan aufzunehmen. Laut Innensenator Andreas Geisel (SPD) würde Berlin gemeinsam mit anderen Bundesländern ein Kontingent von Flüchtlingen aufnehmen, „die sich in Afghanistan für den Aufbau der Demokratie eingesetzt haben“. Hierfür bedürfe es jedoch Entscheidungen auf Bundesebene.

Auch die Berliner Integrationssenatorin Elke Breitenbach von der Partei Die Linke und die Grünen-Spitzenkandidatin für die Abgeordnetenhauswahl in Berlin, Bettina Jarasch, sprach sich für die Aufnahme von afghanischen Flüchtlingen aus.

Außenminister Heiko Maas: „Wir sind auf alle Szenarien vorbereitet“

Update vom 15. August, 09.30 Uhr: Auch Außenminister Heiko Maas äußerte sich zu der Lage in Afghanistan. Angesichts des schnellen Vormarsches der Taliban auf die Hauptstadt Kabul, habe die Evakuierung deutscher Diplomaten und anderer Mitarbeiter höchste Priorität: „Oberstes Gebot ist jetzt die Sicherheit unseres Botschaftspersonals“.

Laut Maas werde man nicht riskieren, „dass unsere Leute den Taliban in die Hände fallen“. „Wir sind für alle Szenarien vorbereitet“, sagte der SPD-Politiker der Bild am Sonntag. Die Evakuierung beginnt am Montag: Die Luftwaffe fliegt mit Militärtransportern vom Typ A400M nach Kabul. Voraussichtlich werden Zwischenstopps in Taschkent (Usbekistan) eingelegt, von wo aus laut Informationen der Bild am Sonntag die Passagiere dann mit Chartermaschinen nach Deutschland geflogen werden.

Evakuierungseinsatz ab Montag: Deutsche werden aus Afghanistan ausgeflogen

Die Bundesregierung ist laut Maas mit dem Bundestag über ein Mandat für den Evakuierungseinsatz im Gespräch. Aufgrund der akuten Gefahrenlage sei eine nachträgliche Mandatierung wahrscheinlich. Vorbereitungen für die Evakuierung hat die Bundeswehr bereits übernommen. Laut Informationen der Deutschen Presse-Agentur sollen vor allem Fallschirmjäger der Division Schnelle Kräfte (DSK) zum Einsatz kommen.

Update vom 15. August, 09.00 Uhr: Wegen des schnellen Vormarsches der Taliban schickt US-Präsident Joe Biden weitere militärische Einsatzkräfte nach Afghanistan. Etwa 1000 Soldaten aus der Luftlandedivision sollen unter anderem dabei helfen, Botschaftspersonal aus Kabul zu evakuieren.

US-Präsident Biden entsendet weitere Soldaten und droht den Taliban

Insgesamt sind damit rund 5000 US-Soldaten mit der Sicherung des Flughafens in Kabul und der damit zusammenhängenden Evakuierung des Botschaftspersonals und der afghanischen Hilfskräfte beauftragt. Laut Biden sollen die Soldaten „einen geordneten und sicheren Abzug des US-Personals und des Personals anderer Verbündeter sowie eine geordnete und sichere Evakuierung der Afghanen gewährleisten, die unseren Truppen während unseres Einsatzes geholfen haben und die durch den Vormarsch der Taliban besonders gefährdet sind“.

Biden drohte den Taliban darüber hinaus mit einer „raschen und starken militärischen Reaktion“, sollte diese das US-Personal in Afghanistan gefährden. Diese Nachricht habe der US-Präsident Vertretern der Taliban in Doha in Katar ausrichten lassen. Seine Aussage gelte für „jede Aktion der Taliban vor Ort in Afghanistan, die das US-Personal“ oder dessen „Mission“ dort gefährde.

USA: Angst vor neuen Terrorangriffen

Angesichts des Vormarsches der Taliban steigt auch die Angst vor erneuten Terrorangriffen. Der US-Präsident wies daher Streitkräfte und Nachrichtendienste an, „dafür zu sorgen, dass wir die Fähigkeit und die Wachsamkeit aufrechterhalten, künftigen terroristischen Bedrohungen aus Afghanistan zu begegnen“. Seit Beginn des Abzugs der US- und Nato-Truppen im Mai haben die Taliban riesige Gebietsgewinne verzeichnen können. Die USA wollten ihre Truppen bis Ende August aus Afghanistan abziehen. Der Abzug ist nach wie vor geplant.

Update vom 14. August, 20.42 Uhr: Der Eroberungszug der Taliban in Afghanistan geht weiter. Nun haben sie die Großstadt Masar-i Scharif eingenommen. Dort hatte die Bundeswehr noch bis Juni ihr Hauptquartier. Den Fall der Stadt bestätigten eine Sicherheitsquelle und ein Provinzrat der Deutschen Presse-Agentur. Auch die AFP berichtet darüber und beruft sich auf Einwohner. „Sie paradieren mit ihren Fahrzeugen und Motorrädern und schießen in die Luft, um zu feiern“, berichtete demnach Atiqullah Ghajor, der in der Nähe der berühmten blauen Moschee der Stadt wohnt.

Afghanistan: Großer Zapfenstreich soll verschoben werden

Update vom 14. August, 18.10 Uhr: Da wird noch einmal umgeplant: Angesichts der absehbaren erneuten Entsendung deutscher Soldaten nach Afghanistan soll der geplante Abschlussappell und Große Zapfenstreich für den bisherigen Einsatz verschoben werden. Das kündigte Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer an. Sie werde dies in Abstimmung mit Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble (CDU) dem Bundeskabinett vorschlagen. „Für eine sachgerechte Bilanzierung und eine Würdigung ist vor dem Hintergrund der Entwicklungen in Afghanistan jetzt nicht der richtige Zeitpunkt. Die volle Aufmerksamkeit gilt der Evakuierung der zu Schützenden“, hieß es in einer Mitteilung der CDU*-Politikerin.

Afghanistan: Taliban rücken in Richtung Kabul vor - Krisensitzung mit Merkel zur Rückholung von Personal

Erstmeldung vom 14. August: Kabul - Viele schauen derzeit wieder auf Afghanistan. Während die Taliban bereits wenige Kilometer vor der Hauptstadt Kabul stehen, hat sich nun Präsident Aschraf Ghani nach langem Schweigen in einer TV-Ansprache zur Lage geäußert. Dabei ging er nicht auf Spekulationen ein, er könne zurücktreten, um den Weg für eine Einigung mit den militanten Islamisten frei zu machen.

Er sei sich der schlimmen Lage bewusst und sehe es als seine „historische Aufgabe“ an zu verhindern, dass weiter unschuldige Menschen getötet würden und die Errungenschaften der vergangenen 20 Jahre verloren gingen, sagte Ghani am Samstag. Er habe Gespräche mit politischen Führern des Landes und internationalen Partnern begonnen und wolle „bald“ Ergebnisse präsentieren.

Taliban auf dem Vormarsch in Afghanistan: Gefechte in der Nähe von Kabul

Die Taliban setzen am Samstag ihren Vormarsch in Afghanistan fort: Nur etwa 35 Kilometer vor Kabul habe es am Morgen Gefechte um Maidan Schar gegeben, der Hauptstadt der Provinz Wardak, sagte die Abgeordnete Hamida Akbari der Deutschen Presse-Agentur. Die Taliban beherrschten bereits einen Großteil der Provinz.

Auch in die Großstadt Masar-i-Scharif, wo die Bundeswehr noch bis Juni ihr Hauptquartier hatte, versuchten die Taliban am Samstag einzudringen. Sie konnten aber nach Angaben örtlicher Politiker zurückgedrängt werden. Der Ex-Provinzgouverneur Mohammad Atta Nur und der frühere Kriegsfürst Abdul Raschid Dostum haben in der Nordprovinz Balch, in der Masar-i-Scharif liegt, eine Verteidigungslinie aufgebaut. Die Taliban haben umliegende Provinzen bereits eingenommen.

Taliban erobern große Teile von Afghanistan - Kämpfe gehen weiter

Seit der Entscheidung über den Abzug der internationalen Truppen aus Afghanistan Mitte April haben die Taliban große Teile des Landes erobert. Mittlerweile stehen 20 der 34 Provinzhauptstädte unter ihrer Kontrolle. Landesweit gingen die Kämpfe am Samstag in mindestens fünf Provinzen weiter. Die militanten Islamisten konnten zwei kleine Provinzhauptstädte übernehmen.

Scharana in der Provinz Paktika mit geschätzt 66.000 Einwohnern sei nach Vermittlung Ältester den Taliban kampflos übergeben worden, bestätigten lokale Behördenvertreter. Wenig später bestätigten mehrere lokale Behördenvertreter, dass Regierungsvertreter und Sicherheitskräfte auch Asadabad, die Hauptstadt der Provinz Kunar im Osten des Landes mit geschätzt 40.000 Einwohnern, verlassen hätten. Man habe so zivile Opfer und Zerstörung verhindern wollen.

Zuvor waren mit Herat und Kandahar bereits die dritt- und die zweitgrößte Stadt des Landes an die Islamisten gefallen. Mit Pul-i Alam in der Provinz Logar haben die Taliban auch eine Provinzhauptstadt rund 70 Kilometer südlich von Kabul eingenommen.

USA, Großbritannien und Deutschland wollen Personal in Sicherheit bringen

Westliche Staaten beschleunigen derweil ihre Bemühungen, eigenes Personal und afghanische Ortskräfte vor den rasch vorrückenden Taliban in Sicherheit zu bringen. Das US-Außenministerium kündigte an, dass die dazu gedachte Verstärkung der US-Truppen in Afghanistan um rund 3000 Soldaten* bis Sonntag größtenteils in Kabul sein werde. Der britische Premier Boris Johnson sagte, Mitarbeiter der britischen Botschaft sollten Kabul binnen Tagen verlassen. Auch Deutschland will laut Außenminister Heiko Maas das Botschaftspersonal auf das „absolute Minimum“ reduzieren. Mit zwei Flugzeugen sollen Personal und auch Ortskräfte ausgeflogen werden.

Außerdem hat Bundeskanzlerin Angela Merkel* (CDU) mit einem Teil ihres Kabinetts das weitere Vorgehen in einer Krisensitzung über Telefon erörtert. „Es wurde beraten, wie mit Hilfe der Bundeswehr die schnellstmögliche Rückholung von Mitarbeitern der deutschen Botschaft und in Afghanistan tätiger deutscher Organisationen sowie von afghanischen Ortskräften gewährleistet werden kann“, teilte ein Regierungssprecher am Samstag auf Anfrage der dpa mit. „Eine Beteiligung des Deutschen Bundestags an einer solchen Entscheidung wird erfolgen“, versichert er.

Afghanistan: Bundeswehr bereitet sich auf Evakuierung von Staatsbürgern und Ortskräften vor

Die Bundeswehr hat bereits mit Vorbereitungen für einen stark abgesicherten Einsatz zur Evakuierung von deutschen Staatsbürgern und Ortskräften aus Afghanistan begonnen. Dazu wird nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur ein vom Bundestag zu verabschiedendes Mandat vorbereitet. Zum Einsatz sollen in der kommenden Woche vor allem Fallschirmjäger der Division Schnelle Kräfte (DSK) kommen, die die Bundeswehr als Teil der Nationalen Risiko- und Krisenvorsorge für solche Aufgaben bereithält.

In Afghanistan sind derzeit noch deutlich mehr als 100 Deutsche, darunter auch die Diplomaten und Mitarbeiter der Botschaft in Kabul sowie Experten anderer Ministerien und Organisationen. Die genaue Zahl der Ortskräfte ist noch unklar. So haben allein Organisationen aus dem Geschäftsbereich des Bundesentwicklungsministeriums derzeit noch mehr als 1000 einheimische Mitarbeiter in Afghanistan. (dpa/afp/cibo/at) *Merkur.de ist ein Angebot von IPPEN.MEDIA.

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