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Notwehr oder Straftat? Passanten zerren „Klima-Kleber“ in Mannheim von Straße

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Von: Peter Kiefer

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Mannheim - Immer mehr Autofahrer werden von „Klima-Klebern“ an der Weiterfahrt gehindert. Doch macht man sich strafbar, wenn man die Aktivisten selbst von der Straße entfernt?

Kaum ein Tag vergeht, an dem nicht irgendwo in Deutschland Klimaaktivisten wichtige Straßen blockieren, um Aufmerksamkeit zu erregen. Doch immer öfter erregen sie damit auch direkt betroffene Autofahrer, die wegen der Blockaden im Stau stehen und viel zu spät zur Arbeit oder einem wichtigen Termin kommen. Doch dürfen verärgerte Autofahrer oder Passanten die sogenannten „Klimakleber“ eigenmächtig von der Fahrbahn entfernen – so wie zuletzt in Mannheim geschehen?

Bei Blockade in Mannheim – Passanten ziehen Klimakleber von der Straße

Hintergrund: Am Donnerstag (9. März) und Freitag (10. März) haben sich jeweils Aktivisten der Gruppierung die „Letzte Generation“ am Friedrichsplatz bzw. am Kaiserring auf der Straße festgeklebt. Doch das hat im Verkehr feststeckenden Autofahrern und einigen Passanten so gar nicht geschmeckt. Denn bei der Blockade am Freitagnachmittag gegen 14 Uhr haben Autofahrer und Passanten nicht nur aufgeregt mit den vier Klimaschützern diskutiert.

Laut MANNHEIM24-Informationen vom Einsatzort haben Anwesende beherzt zugepackt und zwei der Aktivisten von der Fahrbahn gezogen, bevor diese sich festkleben konnten, was den anderen beiden bereits gelungen war. Erst die Polizei hat die Festgeklebten schließlich nach mehrmaliger Aufforderung, die Straße zu verlassen, von der Fahrbahn gelöst und entfernt. Die entsprechenden Ermittlungen wegen des Verdachts der Nötigung laufen, die meist mit einer Geldstrafe enden.

Die Klima-Kleber der Letzten Generation protestieren am Kaiserring in Mannheim – und werden von Passanten von der Straße entfernt.
Die Klima-Kleber der Letzten Generation protestieren am Kaiserring in Mannheim – und werden von Passanten von der Straße entfernt. © MANNHEIM24/PR-Video/René Priebe

Darf man „Klimakleber“ selbst von der Straße ziehen bevor die Polizei da ist?

Ob sich die eigenmächtig handelnden Passanten damit strafbar gemacht haben, sei laut zuständigem Polizeipräsidium Mannheim derzeit Ermittlungssache. Doch ist diese Form der „Selbstjustiz“ überhaupt legal? Darf man auf eigene Faust die Klima-Kleber von der Straße entfernen? Oder gerät man damit am Ende selbst ins Visier von Polizei und Staatsanwaltschaft? Begeht man damit selbst eine Nötigung oder gar Körperverletzung?

Eins steht fest: Die Rechtslage ist hier ziemlich kompliziert. Einige Juristen sagen, die Autofahrer könnten sich bei ihrer Selbsthilfe möglicherweise sogar auf Notwehr berufen. Noch kniffliger wird die Sache jedoch dann, sollten die Klimaaktivisten bereits festgeklebt gewesen sein und sich durch das unsanfte Wegzerren verletzen.

Klima-Kleber selbst entfernen? Jura-Professor Höcker spricht von „Notwehr“

Da für die blockierten Autofahrer ein rechtswidriger Angriff auf deren Fortbewegungs- und Handlungsfreiheit vorliege, befinden sie sich laut Meinung von Rechtswissenschaftlern in einer Notwehrsituation. Diese entfällt jedoch, sobald die Polizei vor Ort eintrifft – dann sei Notwehr eh hinfällig weil nicht mehr nötig. Im WELT-Interview spricht der Rechtsexperte und Jura-Professor Dr. Ralf Höcker ganz klar von einer „strafbaren Nötigung“ durch Klima-Kleber, gegen die „man sich wehren“ darf – per Notwehr (als Autofahrer), eigentlich unbeteiligte Passanten per „Nothilfe“ gegenüber Dritten.

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Dagegen warnt der Münchner Strafrechtsprofessor Armin Engländer br24.de vor dem Argument der Notwehr und bezeichnet dies als „steile These“. Autofahrer, die sich selbst die Straße von Klima-Klebern befreien, könnten sich keineswegs pauschal auf Notwehr berufen, da viele Faktoren wichtig seien: „Der Betreffende kann diese nur schwer einschätzen, so dass er ein nicht unerhebliches Risiko eingeht, sich strafbar zu machen, wenn er in einem solchen Fall zur Selbsthilfe greift“, so Engländer.

Laut Berechnungen war die Polizei in Baden-Württemberg im Jahr 2022 mehr als 1.000 Stunden mit Einsätzen wegen Klima-Aktivisten beschäftigt. (pek)

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