Warum Sie sich Diäten sparen können und lieber Ihren Nutrityp kennen sollten
Ob man von bestimmten Lebensmittel zu- oder abnimmt, hängt vom Stoffwechseltyp und dem individuellen Darmmikrobiom ab. Das legen neue Ernährungsstudien nahe.
Gute Nahrungsmittel, schlechte Nahrungsmittel? Jeder, der sich mit Ernährungsratgebern und Diäten beschäftigt, hat schon davon gehört, dass man bestimmte Lebensmittel meiden sollte, wenn man abnehmen* will. Zum Beispiel Zuckerhaltiges, Fettes und Kohlenhydrate sind ja sowieso ganz böse. Oder? In einer Folge des SWR2 Wissen Podcasts zum Thema „Wie esse ich richtig? – Neues aus der Ernährungsmedizin“ geht es darum, dass Menschen Nahrungsmittel sehr unterschiedlich verwerten. Es gibt gar nicht die eine richtige Ernährung, die zu jedem Menschen passt. Doch wie kann man sich denn dann gesund ernähren, und wie abnehmen? Alles eine Frage des Typs, sagen neue Ernährungsstudien.
Sind Diäten und Verbote Quatsch? Das sagen neue Studien der Ernährungsmedizin
Zum Beispiel die Annahme, es gebe generell gute und schlechte Nahrungsmittel, sei einfach falsch, sagt der Direktor des Instituts für Ernährungsmedizin und Prävention der Universität Hohenheim, Prof. Stepfan Bischoff. Der Mensch sei mit der Möglichkeit ausgestattet, sich flexibel und auf viele verschiedene Arten zu ernähren. Man müsse nur darauf achten, die notwendigen Nährstoffe in ausreichender Menge zu sich zu nehmen. Außerdem sollte die Energiemenge ungefähr dem entsprechen, was man auch verbraucht.
Viele Jahrzehnte galt der Konsens, bei der Ernährung „böse“ Lebensmittel mit zu viel Fett, „leeren“ Kalorien und Zucker wegzulassen. Vor Letzterem warnt Prof. Christian Sina, Direktor des Instituts für Ernährungsmedizin am Universitätsklinikum Schleswig-Holstein, auch weiterhin. Zucker sei in zu vielen Lebensmitteln in zu hoher Menge vorhanden. Ein ständig erhöhter Blutzuckerspiegel sorgt auch für ständig erhöhtes Insulin im System. Das ist in stoffwechselphysiologischer Hinsicht eine der Ursachen für Adipositas (krankhaftes Übergewicht) oder Begleiterkrankungen. Nicht verbrauchte, überschüssige Energie wird z. B. in Fettdepots eingelagert. Ein weiteres Problem: Der steil angestiegene Blutzuckerspiegel fällt genauso steil wieder ab. Der Körper bekommt das Warnsignal, mehr zu essen, um eine Unterzuckerung zu verhindern. Das führt zu dem berühmten Heißhungergefühl und wir begeben uns auf die Suche nach dem nächsten Snack.
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Bahnbrechende Ergebnisse bei israelischen Ernährungsstudien
Zwei israelische Forscher haben ihren Testpersonen Saccharin (ein synthetischer Süßstoff) verabreicht. Danach wurde der Blutzuckerspiegel bestimmt. Das überraschende Ergebnis: Die Probanden hatten nicht, wie bislang angenommen, alle einen ähnlichen Glukosespiegel nach der Einnahme des gleichen Essens. Nein, die Reaktionen auf das Saccharin fiel individuell aus. So rief zum Beispiel auch Weißbrot bei manchen Personen keinen Blutzuckeranstieg hervor, bei anderen schon. Diese sogenannte „glykämische Reaktion“ von zwei Personen auf das gleiche Nahrungsmittel kann also ganz entgegengesetzt ausfallen!
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Neue Erkenntnisse für die Ernährungswissenschaft: Kennen Sie Ihren Nutrityp?
Ein Paradigmenwechsel hat seitdem in der Ernährungsmedizin eingesetzt: Es sollte nicht darum gehen, welches einzelne Lebensmittel gut oder schlecht, empfehlenswert oder nicht ist, sondern wie ein individueller Mensch auf bestimmte Lebensmittel und Nahrungsinhaltsstoffe reagiert. Um die genauen Zusammenhänge zu entschlüssel, ist aber noch einiges an Forschung notwendig. Prof. Sina hat auf Grundlage der israelischen Forscher das sog. „Nutritypen-Modell“ entwickelt. Je nachdem, zu welchem Ernährungs- oder Nutrityp wir gehören, steigt der Blutzucker stark oder weniger stark an. Es gebe mindestens drei verschiedene Stoffwechseltypen: Eiweiß-Typ, Fett-Typ und Misch-Typ. Diese Typen verarbeiten Nahrung unterschiedlich, weil sie über verschiedene Darmmikrobiome verfügen – das meint die Zusammensetzung der Darmkeime. Man kann also z. B. nicht pauschal sagen, Körner-Vollkornbrot ist für alle Menschen deutlich besser als Weißbrot.
Experten empfehlen aufgrund neuester wissenschaftlicher Erkenntnisse zunehmend eine „individualisierte Medizin“, die den Menschen einzeln betrachtet und eine angepasste Ernährungsempfehlung gibt, anstatt pauschale Diäten und Ernährungspläne. Bis diese optimierte Form der Ernährung und die Zusammenhänge komplett erforscht sind, wird es allerdings noch eine Weile dauern. Bis dahin bleiben einige bekannte Ernährungsempfehlungen:
- Halten Sie Maß und ernähren Sie sich ausgewogen. Gesunde Menschen können sich z. B. an den Richtlinien der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE) orientieren.
- Vermeiden Sie sog. Convenience Food (industriell vorgefertigtes Essen). Kochen Sie selbst aus frischen Lebensmitteln, vor allem grünes Gemüse, Salat, zuckerarme Obstsorten, ballaststoffreiche Eiweiße und achten Sie bei tierischen Produkten auf gute Qualität.
- Zu einem gesunden Lebensstil gehört nicht nur die Ernährung, sondern u. a. auch regelmäßige Bewegung, erholsamer Schlaf, reduzierter Stress und wenig Alkohol.
(mad) *Merkur.de ist ein Angebot von IPPEN.MEDIA.