1. Mannheim24
  2. Baden-Württemberg

„PFAS“-Hotspots in Baden-Württemberg: Giftige Chemikalien bereits im Grundwasser

Erstellt:

Von: Lisa Klein

Kommentare

„PFAS“-Chemikalien sind in vielen Alltagsprodukten enthalten – und giftig. Die Stoffe sind bereits in Böden und Grundwasser gelangt. Nicht ganz ungefährlich für Menschen. 

Weit verbreitet, langlebig, potenziell giftig und in der Breite noch gar nicht untersucht – so beschreibt die „Deutsche Presse-Agentur“ die sogenannten „Ewigkeitschemikalien PFAS“. Die Chemikaliengruppe „PFAS“ (Per- und polyfluorierte Alkylverbindungen) ist in zahlreichen Alltagsprodukten enthalten und beliebt in der Industrie.

Denn: PFAS sind stabil, wasser- und fettabweisend. Mit der Substanz werden unter anderem Pfannen, Outdoor-Kleidung, Möbel und Papier beschichtet, auch in Kosmetik-Produkten sind die Chemikalien zu finden. Das Problem: Die Chemikalien sind giftig und inzwischen auch in der Umwelt zu finden. Dabei kommen PFAS in der Natur nicht natürlicherweise vor. Die Chemikalien gelangen während der Produktion, bei Benutzung und Entsorgung in die Umwelt – in Wasser, Pflanzen, Tiere und letztendlich auch in uns Menschen.

PFAS-Chemikalien können in der Natur nicht abgebaut werden

Die „Süddeutsche“ (SZ), „NDR“ und „WDR“ haben am Donnerstag (23. Februar) ihre Ergebnisse einer intensiven Recherche zu „PFAS“-Chemikalien veröffentlicht. Messwerte aus ganz Deutschland wurden zusammengetragen und somit Hotspots ausfindig gemacht – also wo eine besonders hohe Konzentration der Chemikaliengruppe „PFAS“ im Grundwasser und in den Böden zu finden ist.

Den Recherchen zufolge lassen sich in mehr als 1500 Orte in Deutschland PFAS nachweisen. Auch in Baden-Württemberg gibt es bereits einige dieser Hotspots – darunter Aalen, Reutlingen, Rastatt und auch die Landeshauptstadt Stuttgart. Viele mit PFAS verunreinigten Orte sind nach Einschätzung des Umweltbundesamtes (Uba) noch unbekannt. In der Umwelt werden PFAS laut Uba nicht abgebaut: „Weder Bakterien noch Wasser, Luft, oder Licht können diese Moleküle vollständig abbauen“, heißt es.

In Bad Wimpfen wird PFAS sogar hergestellt. Die „Heilbronner Stimme“ hat nachgefragt, was das für die Region bedeutet.

Darum ist PFAS problematisch für Menschen – Aufnahme über Luft und Trinkwasser

Einige PFAS finden unter anderem über Kläranlagen ihren Weg in Flüsse, Seen und Meere. 2022 ergab eine Studie, dass PFAS selbst in den entlegensten Weltregionen im Regenwasser nachweisbar sind. „Mit der Aufnahme von PFAS aus verunreinigten Böden und Wasser in Pflanzen und der Anreicherung in Fischen werden diese Stoffe auch in die menschliche Nahrungskette aufgenommen“, schreibt das Umweltbundesamt. Menschen können PFAS zudem über die Luft und Trinkwasser aufnehmen.

Trinkwasserversorgung
Esslingen: Stadtwerke warnen – hier sind Bakterien im Leitungswasser. © Oliver Berg/dpa

„Im menschlichen Körper können manche PFAS an Proteine in Blut, Leber und Niere binden“, erklärt das Bundesumweltamt. Im Vergleich zu anderen Chemikalien werden einige PFAS sehr langsam ausgeschieden. Die Chemikalien können die Wirkung von Impfungen mindern, zu erhöhten Cholesterinwerten führen sowie ein Infektionsrisiko darstellen. Besonders kritisch ist auch die Weitergabe einiger PFAS von der Mutter zum Kind während der Schwangerschaft und Stillzeit.  

Recherchen zu „PFAS“ vermutlich nur „die Spitze des Eisberges“

„Was wir sehen, ist vermutlich die Spitze des Eisberges“, heißt es in einer Antwort von Uba-Präsident Dirk Messner an die „Süddeutsche Zeitung“, die der „Deutschen Presse-Agentur“ (dpa) vorliegt. Die von der Industrie breit genutzten Substanzen werden derzeit intensiv diskutiert, denn sie sollen einem Vorstoß zufolge in der EU weitgehend verboten werden. Dabei geht es Schätzungen zufolge um insgesamt mehr als 10.000 einzelne Stoffe. 

Einige PFAS sind bereits weitgehend verboten, weil sie als gefährlich gelten. „Von den relativ wenigen gut untersuchten PFAS gelten die meisten als mittel- bis hochtoxisch, vor allem für die Entwicklung von Kindern“, schreibt die Europäische Umweltagentur (EEA).

Behörden mehrerer Länder, darunter Deutschland, streben ein weitgehend vollständiges Verbot der Stoffgruppe in der EU an. Dabei handelt es sich um eine Art Vorsichtsmaßnahme. Der Gedanke dabei: Wenn einige der Substanzen nachweislich schädlich sind, könnten es viele andere Vertreter der Stoffgruppe auch sein.

EU strebt Verbot von PFAS an – Umsetzung bis 2025 möglich

Erfüllt der Behörden-Antrag alle Formalitäten, sollen am 22. März 2023 öffentliche Konsultationen starten. Dabei können sich beispielsweise Industrievertreter für Ausnahmen starkmachen. Die Entscheidung trifft am Ende die Europäische Kommission gemeinsam mit den EU-Mitgliedsstaaten. Mit einem Entschluss wird 2025 gerechnet.

Aus Sicht des Bundesverbandes der Deutschen Industrie (BDI) ginge ein Komplettverbot zu weit, da dann auch viele Anwendungen untersagt wären, von denen gar keine Gefahr ausgehe. „Ich gehe davon aus, dass die Auswirkungen der Beschränkung für viele Industriezweige erheblich wären“, sagte Mirjam Merz, Expertin für Chemikalienpolitik und Gefahrstoffrecht beim BDI, der dpa.

Auch interessant

Kommentare